18.09.2020
Wirtschaft
Gewerbeanzeigen

Gut 1,2 Mill. Gewerbean- und -abmeldungen wurden seit 1991 bei den Brandenburger Gewerbeämtern angezeigt.
Während sich nach der Wiedervereinigung ein Existenzgründungsboom mit bis zu 35 000 Anmeldungen im Jahr 1992 abzeichnete, war nach dieser anfänglich hohen Gründungsbereitschaft eine kontinuierliche Abnahme der Anmeldungen bis zum Jahr 2002 um mehr als 40 % zu verzeichnen. Danach führten Fördermaßnahmen in Form sogenannter Ich-AGs sowie Gründungen, die mithilfe eines Überbrückungsgeldes der Bundesanstalt für Arbeit gefördert wurden, kurzfristig zu einem starken Anstieg von Existenzgründungen, der seinen Höhepunkt im Jahr 2004 mit gut 30 000 angemeldeten Gewerben erreichte. In den Folgejahren wurde nach einem anfänglich leichten Rückgang der Gründungsaktivitäten ein stabiles Niveau von jährlich knapp 18 000 Gewerbeanmeldungen erreicht.
Die Entwicklung der Anzahl der Gewerbeabmeldungen verläuft in Abhängigkeit von den Schwankungen bei den Gewerbeanmeldungen. Nach Jahren mit verstärkten Gründungsaktivitäten steigt mit Verzug von einigen Monaten auch die Anzahl der Betriebsaufgaben von Gewerbetreibenden, die entweder gar nicht in den Markt eintraten oder sich nicht längerfristig am Markt halten konnten.
Die Bildung eines Saldos von An- und Abmeldungen ist zwar nur begrenzt aussagefähig, da in der Regel die Anzahl der Gewerbeabmeldungen infolge des Meldeverhaltens der Gewerbetreiben- den unterzeichnet ist und damit die wirtschaftliche Realität nur begrenzt widerspiegelt, lässt aber die positive Entwicklung des Gründungsgeschehens im Hinblick auf eine dauerhafte Etablierung neu gegründeter Unternehmen Anfang der 1990er Jahre und in den Jahren 2003 und 2004 deutlich erkennen. Auch in den Jahren der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008 und 2009 zeigt das erhöhte positive Saldo ohne größere Einbrüche in den Folgemonaten, dass auf eine beachtliche Anzahl wirtschaftlich nachhaltiger Betriebsgründungen und auf den Durchhaltewillen der Gewerbetreibenden in dieser Krisenzeit geschlossen werden kann.
Zur Veranschaulichung der Gründungsdynamik kann ein Indikator herangezogen werden, der die Anzahl der Neugründungen auf 10 000 Erwerbspersonen ins Verhältnis setzt und so Rückschlüsse auf das Gründerpotenzial in der Region zulässt. Dieser sogenannte Gründerindex spiegelt die Bereitschaft der erwerbsfähigen Bevölkerung wider, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Hier ist deutlich zu erkennen, dass nach einer anfänglich hohen Gründungsbereitschaft mit 157 angemeldeten Gewerbebetrieben je 10 000 Erwerbspersonen und mit bis zu 188 Betrieben im Jahr 2004 die Gründungsbereitschaft der Brandenburger Bevölkerung insbesondere im letzten Jahrzehnt kontinuierlich abgenommen hat und inzwischen bei circa 100 Betrieben stagniert.
Trotz des insgesamt rückläufigen Gründungsverhaltens liegt der Anteil von Neugründungen durch weibliche Gewerbetreibende über die Jahre auf einem stabilen Niveau. Gut jedes dritte neu gegründete Einzelunternehmen wird durch eine Existenzgründerin geführt. Dagegen haben Gründungen durch nicht deutsche Gewerbetreibende an Bedeutung gewonnen. Während Ende der 1990er Jahre nur rund 4 % der Existenzgründerinnen und -gründer einen ausländischen Pass hatten, wird inzwischen fast jedes fünfte Einzelunternehmen durch nicht deutsche Gewerbetreibende gegründet. Vor allem Einzelunternehmerinnen und -unternehmer mit einem polnischen Pass haben die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union genutzt.
Zu Beginn der 1990er Jahre erfolgte noch gut jede zweite Gründung in den Bereichen des Produzieren- den Gewerbes und des Handels. Dieser Schwerpunkt hat sich über die letzten drei Jahrzehnte hauptsächlich auf Tätigkeiten in der Dienstleistungsbranche verlagert. Hatten im Jahr 1994 noch 7 % der Gewerbe- treibenden die Absicht, im Verarbeitenden Gewerbe tätig zu sein, wurde dies im Jahr 2019 nur noch bei jedem 40. angemeldeten Betrieb angezeigt. Auch im Bereich Handel, der zu den wichtigsten Wirtschaftsbereichen in Bezug auf die Gewerbeanmeldungen zählt, gab es seit 1994 einen deutlichen Rückgang. So verringerte sich dessen Anteil an den Gewerbeanmeldungen zwischen 1994 und 2019 von 37 % auf 20 %. Relativ stabil geblieben ist dagegen mit insgesamt 20 % der Anteil der angemeldeten Tätigkeiten im Bau- und im Gastgewerbe.
Mit der Gewerbeanzeigenstatistik werden monatlich Daten zu Gewerbean- und -abmeldungen erhoben; differenziert nach der Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, Betriebsstättenart, Rechtsform und Gründen, die für die Meldung maßgeblich waren. Außerdem werden Angaben zum Geschlecht und zur Staatsangehörigkeit der Gewerbe- treibenden erfasst. Die Statistik hat die Aufgabe, das Meldegeschehen bei den gewerblich tätigen Betrieben darzustellen und liefert damit wichtige Informationen über Existenzgründungen, Betriebsschließungen und Unternehmensverlagerungen, die eine Einschätzung der Dynamik von Gründungsprozessen ermöglichen und Folgen von geänderten Rahmenbedingungen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft statistisch belegen. Anzeigepflichtig ist hierbei jede erlaubte selbstständige Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Ausgenommen sind die Urproduktion (Land- und Forstwirtschaft, Bergbau), die freien Berufe sowie die bloße Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens.
Der Artikel ist Teil der Jubiläumsausgabe „30 Jahre Brandenburg im Spiegel der amtlichen Statistik“ der Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg, die im September 2020 erschien.