29.03.2019
Verarbeitendes Gewerbe
Ist die Umweltregulierung schädlich für die wirtschaftliche Leistung der Unternehmen?

Die Europäische Union (EU) hat in der internationalen Klimapolitik stets eine Vorreiterrolle übernommen, und durch das Pariser Abkommen wurde die Bedeutung dieser Rolle noch bekräftigt. Während die EU die negativen Auswirkungen des Klimawandels mit vielen unterschiedlichen Ansätzen und Mandaten bekämpft, ist das 2005 eingeführte Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU EHS) das wichtigste Instrument der EU-Klimapolitik. Das EU-Emissionshandelssystem hat maßgeblich zur spürbaren Popularisierung marktbasierter Regulierung in der ganzen Welt beigetragen und ist ein herausragendes Beispiel für die marktbasierte Anwendung wirtschaftlicher Prinzipien auf das Klimaproblem.
In der Literatur zur Klimapolitik wird nach wie vor die Sorge formuliert, dass die durch Umweltregulation erzielte Emissionsminderung die wirtschaftliche Leistung von Unternehmen möglicherweise negativ beeinflusst. Diese Frage wird zurzeit innerhalb eines Projektes mit dem Titel „Effekt des EU ETS auf die Produktivität Deutscher Firmen“1 im Kontext des Emissionshandelssystems der Europäischen Union und des deutschen Verarbeitenden Gewerbes auf der Grundlage der Amtlichen Firmendaten für Deutschland (AFiD) empirisch untersucht.
Empirische Strategie
Als Maß für die wirtschaftliche Leistung von Unternehmen wurden mithilfe der Stochastic Frontier Analysis (SFA) die Kosteneffizienz sowie deren Determinanten für eng definierte Industrien (basierend auf dem Wirtschaftszweig) geschätzt. Die SFA ist eine Methode zur Modellbildung bei ökonomischen Fragestellungen. Mit einer Produktionsfunktion wird das Produktionsverhalten von Unternehmen modelliert. Eine Produktionsfunktion repräsentiert die Produktionsgrenze und damit die Effizienzgrenze („Frontier“). Der deterministische Teil der Distanz z. B. eines Unternehmens zu seiner Produktionsgrenze kann als technische Effizienz (TE) interpretiert werden. Technische Effizienz ist definiert als das Verhältnis zwischen dem beobachteten Output und dem maximal möglichen Output. Verschiedene stochastische Komponenten können eingefügt werden, wenn etwa äußere Störungen offensichtlich sind, die nicht von der Entscheidungseinheit selbst beeinflusst werden können.
Die SFA kann auch zur Analyse der Kosten- (wie in dieser Studie) und Gewinneffizienz verwendet werden. Der „Cost-Frontier“-Ansatz versucht zu messen, wie weit das Unternehmen von einer Vollkostenminimierung (also einer Kosteneffizienz) entfernt ist. Die „Profit-Frontier-Analyse“ untersucht den Fall, in dem produzierende Unternehmen als Gewinnmaximierende behandelt werden (sowohl der Output als auch der Input vom Unternehmen festgelegt werden sollten) und nicht als Kostenminimierende (wenn das Produktionsniveau als exogen betrachtet wird).
Um die Kosteneffizienz direkt nach Industrien verschiedener Wirtschaftszweige und Behandlungsgruppen (EU EHS und nicht-EU EHS) zu vergleichen, wird die Stochastic Meta Frontier Analysis (SMFA) verwendet. Diese Methode kann als verschachtelte SFA verstanden werden, in der zunächst für jede Industrie eine eigene Kostengrenze geschätzt wird. Zweitens wird eine einzige sogenannte Meta-Kostengrenze geschätzt, die alle industrie-spezifischen Grenzen umfasst. Die Distanz jedes Unternehmens in einer bestimmten Industrie zur Meta-Grenze kann über verschiedene Industrien hinweg verglichen werden. Mit einem Primal-System-Ansatz erfolgt die Zerlegung der Kosteneffizienz (KE) in ihre zwei Quellen: allokative und technische Effizienz. Diese Zerlegung ist informativ, weil so untersucht werden kann, wie viel von den zusätzlichen Kosten auf die suboptimale Menge an Eingaben und wie viel auf eine suboptimale Kombination von Eingaben zurückzuführen ist.
Im Projekt werden im Rahmen eines Difference-in-differences Ansatzes (DD) zunächst die kausalen Auswirkungen des EU-Emissionshandelssystems auf die Kosteneffizienz analysiert. Schließlich werden mit einem SFA-Modell potenzielle Endogenitätsprobleme untersucht.
Daten
In dieser Studie werden die Amtlichen Firmendaten für Deutschland (AFiD) auf Unternehmensebene verwendet. Die Daten werden von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder erhoben. Die Teilnahme an der Statistik ist gesetzlich vorgeschrieben und umfasst alle Unternehmen mit mindestens 20 tätigen Personen. Die genutzten Längsschnittdaten sind für wissenschaftliche Zwecke zugänglich und werden über die Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zur Auswertung bereitgestellt. Die Analyse basiert hauptsächlich auf den AFiD-Paneldaten der Industrieunternehmen² (2001–2014). Für dieses Panel wurden verschiedene Statistiken kombiniert, unter anderem die Kostenstrukturerhebung im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden (KSE), die im aktuellen Forschungsprojekt die Grundlage der durchgeführten Auswertungen bildet. Zusätzlich werden die Einzeldaten des AFiD-Panels Industriebetriebe³ sowie die Module Energieverwendung4 und Produkte5 verwendet (jeweils 1995–2014), um den Datensatz mit weiteren Informationen zum Kauf, Verkauf und Gebrauch von Elektrizität und Kraftstoffen zu ergänzen. Die Daten werden auf Ebene der Unternehmen verknüpft. Ausgewertet werden sie auf Ebene der Zweisteller in der aktuellen Wirtschaftszweigklassifikation WZ08. Zusätzlich zu den AFiD-Daten werden externe Merkmale aus dem Transaktionsprotokoll der Europäischen Union (EUTL) für den Zeitraum 2005–2014 verwendet, um regulierte Unternehmen zu ermitteln und Informationen über Transaktionen mit Zertifikaten zu erhalten.
Ergebnisse
Die ersten vorläufigen Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt deuten darauf hin, dass in den meisten Branchen des deutschen Verarbeitenden Gewerbes noch Potenzial zur Steigerung der Kosteneffizienz besteht. Die Analyse der Kosteneffizienztreiber bestätigt die Annahme, dass exportierende Unternehmen in den meisten Branchen kosteneffizienter sind als ihre nicht exportierenden Pendants. Im Gegensatz dazu sind innovative Unternehmen und Unternehmen, die durch das EU-Emissionshandelssystem reguliert werden, weniger kosteneffizient als nicht regulierte Unternehmen. Eine DD-Analyse der Teilstichprobe bestätigt, dass das EU EHS die Kosteneffizienz der behandelten Unternehmen in einigen Branchen senkte. Allokative Effizienz ist in den meisten Industrien eine viel geringere Quelle der höheren Kosten als die technische Effizienz.
von Maja Zarkovic (Universität Basel)
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² DOI: 10.21242/42221.2014.00.01.1.1.0
(AFiD-Panel Industrieunternehmen 2001-2014, On-Site-Zugang).
³ DOI: 10.21242/42111.2014.00.01.1.1.0
(AFiD-Panel Industriebetriebe
1995-2014, On-Site-Zugang).
⁴ DOI: 10.21242/43531.2014.00.03.1.1.0
(AFiD-Modul Energieverwendung
1995-2014, On-Site-Zugang).
⁵ DOI: 10.21242/42131.2014.00.03.1.1.0
(AFiD-Modul Produkte 1995-2014,
On-Site-Zugang).